Brustbild eines Mannes mit nacktem Oberkörper. Er tastet mit dem Mittelfinger
der rechten Hand eine
klaffende
Schnittwunde
auf der linken Seite seines Oberkörpers unterhalb der Brustwarze ab. Der Mann
trägt am Ringfinger einen
schlichten Ring. Die
Fingernägel sind gepflegt. Die Szene stammt aus einem Film. Der Film ist
ursprünglich in Farbe. Was
man sieht, ist inszeniert.
Ein Mensch. Ein Mann. Wenn der Ring ein Ehering ist, ist der Mann verheiratet.
Eine
Oberflächenwunde.
Vermutlich nicht weiter
gefährlich. Verwundete Menschen bluten. Die Blutung ist bereits gestillt. Die
Verletzung muss also vor
einiger Zeit erfolgt sein. Es
könnte eine durch ein Messer entstandene Wunde sein. Vielleicht ist sie aber
auch die Folge Unfalles.
Da es ein
Filmbild
ist:
Welche Implikationen wurden durch Auswahl von Motiv und Einstellung gewollt?
Welche ergeben sich zwangsläufig,
wenn man
einen verletzten Menschen abbildet?
Goethe überblickte die Welt, aber von Weimar aus; Shakespeare ist universell,
aber er lebte im elisabethanischen
England.
Wir können uns Sokrates nicht außerhalb von Athen vorstellen.
(Alfred North Whitehead: Wie entsteht Religion. Frankfurt 1985, 101)
Würde ein
Japaner
oder ein
Chinese
eine Beziehung zwischen diesen beiden
Bildern herstellen? Stellen
durchschnittliche
Europäer diese Beziehung noch her? Befindet sich die Wunde im Film irrtümlich
links, statt, wie es ikonografisch
richtig ist,
rechts? Oder war Weir dieser 'Fehler' bewusst? Oder spielt die Frage
Irrtum/Absicht für die nahegelegte
Konnotation 'Leiden
Jesu' zunächst einmal gar keine Rolle?
Bilder wollen von sich aus nichts
mitteilen.
Wollen die Bilder einer
Überwachungskamera etwas mitteilen?
Diejenigen, die die
Bilder machen, wollen damit etwas mitteilen. Sobald man jemandem ein
Urlaubsbild zeigt, will man etwas
mitteilen.
Wer Bilder
didaktisch
einsetzt, vertraut darauf, dass man in ihnen sehen kann,
was der Lehrer selbst
darin sieht. In einem
ziemlich weiten Rahmen kann er sich auf diese zunächst nur angenommene
Übereinstimmung verlassen. Auch
wenn sie nicht
besteht, kann er sich mit Hilfe des Bildes über die Differenzen in der
Wahrnehmung verständigen.
Auch wer Bilder betrachtet, hat
Intentionen.
Sie möchte etwas in den
Urlaubsbildern wieder finden. Sie
möchte nicht
wahrnehmen, was doch offenbar den Mittelpunkt des Bildes darstellt. Sie
betrachtet freiwillig nur schöne
Bilder. Sie geht ins Kino,
um bestimmte Bilder zu sehen. Die Seherwartung färbt, was man wahrnimmt.
Peter Weir in einem
Interview
mit Virginia Campbell, 1993.
Matthias Wörther
Eine Seminarteilnehmerin
Der Begriff 'Kontext' sagt zu wenig. Kein Bild lässt sich in nur einem Kontext
erklären.
Kontexte verändern sich.
Sie sind
geschichtlich, geografisch, biografisch, gegenwartsbezogen, traditionell,
angemessen, unangemessen.
Auch in
unangemessenen Kontexten sprechen die Bilder.
Oberflächen
Implikationen
Konnotationen
Intentionen
My true challenge was to not make a film about the perils of flying. That was
just a metaphor. One
day your number will be
up. I do think that in our modern life, when you're in a plane it's the one
time you think you might
die. Most people,
regardless of what they've learned in school, don't have any idea how anything
so heavy stays up in
the air. One of the studio
executives said, "I loved the movie, but I won't let my wife see it. She
hates to fly." But
I would think this film might be a cure
for that.
Mir war aufgefallen, wie leicht sich eine Reihe von Einstellungen und Sequenzen
in 'Fearless' mit
der biblischen Überlieferung
von Jesus und ihrer Gestaltung in der Kunst parallelisieren ließen. Also suchte
ich nach einem Konzept,
um aus dieser
Übereinstimmung produktives Potential für eine Filmveranstaltung zu gewinnen.
Ich kam ohne bestimmte Erwartungen hierher. Der Name Peter Weir sagte mir
nichts. Der Film hat mir
aber sehr gut gefallen
.